Die Salzstraße (Bad Sülze – Dändorf – Wismar)
Das Salz der Saline Bad Sülze wurde auch über Dändorf verschifft. Die geschichtliche Entwicklung von Bad Sülze ist untrennbar mit der Salzgewinnung verbunden. Namen und Bedeutung verdankt die Stadt den vorhandenen Solequellen (Salzwasserquellen). Die örtliche Saline ist bereits im Jahre 1243 urkundlich als „sulta iuxta Marlow“ bezeugt.(1) Salinen sind Anlagen zur Gewinnung von Salz durch Verdampfen des Wassers aus einer natürlichen Sole. Die Saline war immer weitestgehend fürstliches Grundeigentum der ursprünglich wendischen Mecklenburgischen Fürstenfamilie Borwin, die bis 1918 das Land regierte.
Über Jahrhunderte in viele Einzelnutzungsrechte und -privilegien zersplittert, wurde die Saline 1744 erstmals “in eine Hand“ verpachtet, und zwar an eine Pächtergemeinschaft: J.G. Koch, Direktor der Saline im heutigen Bad Nauheim, und der hessische Salzgräf Waiz von Eschen sowie der mecklenburg- schwerinsche Staatsbeamte von Vieregge. Die neuen Herren gingen sofort an die Modernisierung der Salinenanlage. Nach damals neuesten Erkenntnissen wurden hohe Gradierwerke gebaut, teils zweistöckig, von insgesamt über 1300 Metern Länge. Gradierwerke haben den Zweck, durch natürliche Wasserverdunstung den Salzgehalt in der Siedesole zu erhöhen und auf diese Weise Brennstoffkosten zu sparen. Im Nebeneffekt konnte man damit auch eine Reinigung der Sole von unerwünschten Bestandteilen (Kalke, Gips, Moorsubstrate) erreichen.
1816 wird die Saline von der Großherzoglichen Landesregierung in eigene Regie genommen, nachdem während der Napoleonischen Kriege die Salinepächter besonders gute Geschäfte gemacht hatten. Der Pächter J.F.T. Koch tritt als Oberamtmann der Saline in den Staatsdienst ein, ebenso 1827 sein Sohn August Ludwig Koch, damals als junger Mann schon Bürgermeister seiner Vaterstadt, dem wir heute weitgehend das zusammengefasste Wissen über die Geschichte der Sülzer Saline verdanken, so auch über die “Salzstraßen“ auf der Recknitz von Sülze über das schwedisch-/preußisch-pommersche Damgarten nach Dändorf und weiter über See ins bis 1804 schwedische Wismar, sowie recknitzaufwärts über Prahmkanal, Trebel, Peene und Kummerower See in die Großherzogliche Salzniederlage nach Malchin. Das in beiden Richtung Staatsgrenzen berührt bzw. überfahren wurden, tat der Salzfahrt aus Sülze kaum Abbruch.
Im Jahre 1907 wird die Salzproduktion wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt. Mit dem Aufkommen der Dampfmaschinen, der Eisenbahnen und anderer industrieller Neuerungen seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts auch in deutschen Landen wurde Speisesalz auf dem Markt immer preisgünstiger angeboten. Das Salz aus der Saline konnte da nicht mithalten. Der hohe Materialbedarf für den Gradierwerksbau und der Brennstoffverbrauch bei der Salzsiedung setzten der Kostenminimierung für das Salinensalz enge Grenzen. Während die Saline bis zum Herbst 1906 noch Salz produziert hatte - nur sommers brannten die Torffeuer unter den Siedepfannen - , wurde im Frühjahr 1907 die Siedung auf Order aus Schwerin nicht wieder aufgenommen. Das Ende der Jahrhunderte alten Saline war gekommen, im kaufmännischen Sinne zu spät, denn die Großherzogliche Regierung hat spätestens nach 1866 mit ihrer Saline kein Geld mehr verdient.
Dass die Sülzer Saline als einzig im Mecklenburgischen verbliebene im 19. Jahrhundert überhaupt noch Bestand hatte, war zweifellos auch dem landesherzoglich verordneten “Salzzwang“ geschuldet, welcher allen Bewohnern des Domaniums auferlegt war, d.h. der Landesteile, die sich unmittelbar im Besitz des Landesherrn (Großherzog) befanden. Diese Vorschrift beinhaltete die Verpflichtung, jährlich eine vorgeschriebene Menge des Sülzer Salzes zu Festpreisen zu erwerben. Die Verordnung galt bis 1866, als mit dem Beitritt des Großherzogs zum Deutschen Zollverein auch um Mecklenburg die Zollgrenzen fielen. Das Salz musste direkt auf der Sülzer Saline oder auf einer der Salzniederlagen erworben werden, die zur Verteilung des Salzes in mehreren Städten im Lande eingerichtet waren. Als Sitz von Salzniederlagen werden 1817 die Städte Rostock, Güstrow, Schwerin, Wismar, Sternberg und Plau aufgeführt. 1853 hatten davon nur noch Wismar und Schwerin sowie Plau und Malchin Bestand.
Der Transport des in Säcken abgefüllten Salzes erfolgte vorrangig auf dem Landwege, doch wurde auch die Recknitz und die über sie erreichbaren Gewässer für den Salztransport genutzt, wobei die Malchiner Salzniederlage die Einzige war, welche das Salz vollständig auf dem Wasserwege zugeführt bekam. Über Land u n d auf dem Wasserwege gelangte das Salz auch zu den Salzniederlagen nach Wismar und Schwerin. Mit Prahmen, d.h. flachgängigen, ca. 20 Meter langen Booten, wurde das Salz auf der Recknitz, dem Grenzfluss zwischen Mecklenburg und Pommern, flussabwärts Richtung Ribnitz und über die Ribnitzer See nach Dändorf verschifft. In Höhe Damgarten wurde dabei die Passbrücke passiert. Aus dem Jahre 1820 existiert ein Schriftverkehr, welcher sich mit der Problematik eines möglichen Brückengeldes beschäftigt. Karl Krambeer schreibt dazu in seinem 1938 erschienenden Buch „Stadt Ribnitz in Vergangenheit und Gegenwart“: „Was hatte es denn mit der Salzverfrachtung auf sich ? 1820 schrieb die Sülzer Saline an unsern Rat, wie es sich mit der Abgabe bei der Passbrücke verhalte, wenn kleine Fischländer Boote Salz nach Dändorf verschifften, von wo es dann nach der großherzoglichen Niederlage in Wismar gebracht werde. Der Rat erwiderte, dass große Böte, wenn die Brücke aufgezogen werde, zahlungspflichtig seien. Dagegen machten die Sülzer geltend, dass sogar die Preußen abgabenfrei seien, wenn sie auf der Trebel und Peene nach Malchin schifften. Nunmehr erklärte unser Rat am 12. Sept. 1820 großmütig, dass er aus Achtung vor einer großherzoglichen Stadt auf das Brückengeld verzichte. Der Paßmann aber müsse 6 ß [Schilling] haben, weil er mit einem Gehülfen wohl eine Stunde benötige, um die Brücke aufzuziehen und dann wieder niederzulegen.“
Das Begehren des Ribnitzer Rates, an den Einnahmen aus dem seinerzeit einträglichen Salzhandel zu partizipieren, mag rechtens gewesen sein. Doch es gab auch ungesetzliche Begehrlichkeiten Dritter, von der Salzfahrt auf der Recknitz zu profitieren. So kam es am Anfang des 17. Jahrhunderts bei Pantlitz zu einem Zwischenfall, der zu diplomatischen Verwicklungen und schließlich zu zwischenstaatlichen Verhandlungen der herzoglichen Regierung in Schwerin für die mecklenburgische mit derjenigen in Wolgast für die pommersche Seite führte. Im Ergebnis wurde im Jahre 1608 vereinbart, dass die Schifffahrt auf der Recknitz für beide Seiten allzeit unbehindert stattfindet und eine Erhebung von Durchfahrtzöllen nicht erfolgt. Zu einer Zeit, da das Raubrittertum eigentlich schon überwunden war, hatte der Daskower Rittergutsbesitzer Achatius von Mörder Salzprahmfahrer die freie Durchfahrt auf der Recknitz durch seine Bewaffneten verwehrt und einen Zoll für das Passieren verlangt. Das ließ sich der rechtmäßige Besitzer des Prahms und der Fracht, der Nustrower Gutsbesitzers Caspar von Behr, nicht gefallen. Er rüstete eine kleine Flotte aus, besetzte sie mit Bewaffneten und schickte sie flussabwärts zum Ort des Geschehens. Dort kam es zum bewaffneten Streit. Schüsse fielen. Tote soll es nicht gegeben haben, aber ein umstrittener Prahm wurde so stark beschädigt, dass er sank. A.L. Koch schildert den Vorfall in seiner „Geschichte der Saline zu Sülz.“. Demnach soll der versunkene Prahm noch Ende des 18. Jahrhundert ein Hindernis für die Schifffahrt auf der Recknitz gewesen sein.
Zurück zur Salzfahrt ohne Aus- und Unfälle. In Dändorf angekommen, wurde das Salz von den Dändorfern auf Karren, später auf Fuhrwerke verladen und über die Dorfstraße in Richtung Dorfausgang zum Ribnitz-Wustrower Landwege transportiert. Der Zustand der Dorfstraße, welche auch durch den innerörtlichen Verkehr vielgenutzt war, unterlag ähnlich wie die Straßen in vielen anderen Ortschaften, uneingeschränkt allen Witterungseinflüssen, aufgrund derer es vornehmlich im Frühjahr und Herbst zu großen Problemen kam. „Wenn`t man en beten regen deihr, nich mal mit Kneisteweln fuhrt to kamen (was). De Peer sakten bet an den Buk rinn, de Wagens führten sick so ... fast, dat man se mit Böhm losböhren müßt...“ berichtet ein Einwohner des Nachbarortes Dierhagen 1859 über den Zustand der Dierhäger Dorfstraße. So oder so ähnlich mag es auch in Dändorf gewesen sein, wenn auch zu diesem Zeitpunkt die Dändorfer Dorfstraße schon einige Jahrzehnte gepflastert war. Eine konkrete Jahreszahl ist nicht überliefert, wobei davon auszugehen ist, dass sie sicherlich schon in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte. Ludwig Dolberg schreibt zur Herkunft der Steine folgendes: „Als Material dazu verwendete man die Steine eines Dammes, der bis dahin auf dem Ribnitz-Wustrower Landwege gelegen hatte von der ehemaligen Meierei, dem jetzigen Erbpachthofe Körkwitz, an bis da, wo in diesen die Straße von Dändorf her mündete. Jener hieß „de Niege Damm“, - so z. B. in einem Vergleiche zwischen dem Amte zu Hirschberg [Hirschburg] und der Stadt vom Jahre 1792.“ Es wurde also die Pflasterung eines Weges zwischen dem jetzigen Körkwitz Hof und Dändorf verwandt. Warum dieser wichtige Wegeabschnitt aufgenommen wurde, bleibt unklar.
Über den Ribnitz-Wustrower Landweg als der wichtigsten Erschließungsstraße auf der Halbinsel nach dem Fischländer Weg transportiert, wurden die Salzladungen zur Ostseeküste gebracht. Über den genauen Verladeplatz des Salzes am Ostseestrand gibt es widersprüchliche Aussagen. Einmütigkeit besteht aber dahingehend, dass der Platz den Flurnamen „dat Soltlock“ hat. So gibt es Aufzeichnungen, die vermelden, dass sich diese Stelle in Neuhaus befunden haben soll. Andere Quellen verweisen auf Dierhagen, wo im Bereich des Strandabschnittes Höhe Fischerweg tatsächlich der Flurname „Salz-Loch“ verzeichnet ist. Über die Düne transportiert und auf Reusenboote verladen, wurde die Ladung zu den vor der Küste wartenden Seglern gebracht, welche sie dann nach Wismar verschifften.
Die Bedeutung dieser Transportverbindung sank mit der fortschreitenden Erschließung der Landwegeverbindungen. Dazu schreibt der Geheime Amtsrat Koch aus Sülze im Jahre 1853: „Wie wichtig der Transport per Eisenbahn für die Saline werden könnte, davon ist das ein Beweis, dass die 2 Inhaber der Salzniederlagen zu Wismar und Schwerin, die Herren Fr. A. & W. Crull in Wismar, schon jetzt für einen großen Theil ihres Salzbedarfes diesen Weg benutzen, obgleich zur Zeit noch nicht einmal von Sülz ganz nach Rostock eine Chausseeverbindung besteht, und ihn dennoch vorteilhafter finden als den früher stets benutzten Wasserweg auf der Recknitz über Ribnitz durch die Binnensee nach Daendorf auf Fischland, von da über Land nach Dierhagen, dann zu Schiff nach Wismar.“
Noch heute zeugen einige wenige sichtbare Objekte von diesem wichtigen Kapitel aus dem Leben der vergangenen Generationen. Da ist das Salzmuseum Bad Sülze im Alten Salzamt, von seinem Baujahr 1759 an bis 1879 das Direktionsgebäude der Großherzoglichen Saline, in welchem die Geschichte des Salzgewinnung aus der hiesigen Sole erlebbar gemacht wird, sowie die ehemals als Beamtenhäuser bzw. als Steueramt zur Saline gehörigen Fachwerkhäuser am und die Reste eines der ehemals sechs Gradierwerke im Kurpark, dann die Recknitz selbst, welche sich durch Wald und Wiesen zum Ribnitzer See hinschlängelt, der Dändorfer Hafen mit seinem weiten romantischen Blick über den See und die gepflasterte Dändorfer Dorfstraße, über welche ehemals die mit Salz beladenen Fuhrwerke rollten und welche heute als überaus interessantes Detail jener historischen nordmecklenburgischen Salzstraße zwischen Sülze und Wismar unter Denkmalschutz steht.
Dändorf / Bad Sülze, Oktober 2009
Guido Keil / Dr. Martin Wulfert
Quellen
(1) Mecklenburgisches Urkundenbuch, Landeshauptarchiv Schwerin
Ostseezeitung v. 03.12.1994, 28.08.1995, 10.08.1998, 23.08.1996
Mecklenburg Magazin v. 13.12.1991
Landesamt für Denkmalpflege – Denkmalwertbegründung zur Pflasterung der Dorfstraße Dändorf v. 23.05.2002
Schulz, Friedrich „Zwischen Fischland und Rostocker Heide“, Verlagsbuchhandlung Bunte Stube, Ahrenshoop, 1995
Dolberg, Ludwig „Eine Küstenwanderung von der Warnow bis Wustrow durch die Rostocker Haide, Grahl, Müritz, Dändorf und Dierhagen wie das Fischland“, Verlag E. Biscamp`s Buchhandlung, 1885
Wulfert, Martin „Bad Sülze“, Scheunenverlag Kückenshagen, 2003
Koch, A. L. /Geheimer Amtsrath Koch zu Sülz) „Die Saline zu Sülz in technischer und statistischer Hinsicht“, 1853 – (Sammelband Kochscher Schriften – Archiv für Landeskunde in den Großherzogtümern Mecklenburg-Schwerin)
Koch, August Ludwig „Geschichte der Saline zu Sülz“, Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. - Bd. 11 (1846), S. 97-122
Krambeer, Karl „Stadt Ribnitz in Vergangenheit und Gegenwart“, Selbstverlag, Ribnitz, 1938
Goltings, Bernd „Unterwegs im Dünensand“, Darß Verlag, 2008
Kühl. Paul „Geschichte der Stadt und des Kloster Ribnitz“, 1933
Bildmaterial 1924